Ende einer sehr schönen Traditionsveranstaltung –
Das Gocher Open wird nicht mehr ausgerichtet
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert – das Auftaktturnier fand 1990 statt – wurde alljährlich im Spätsommer/Frühherbst das Internationale Gocher Open ausgetragen.
Auf der Homepage, auf welcher sonst der Termin für die kommende Veranstaltung zu finden ist, verkünden die beiden rührigen „Macher“ Wolfgang Evers und Winfried van Ooyen nun das Aus!
Diese traurige Mitteilung trifft viele Spieler, die diese Termine fest in ihrem Kalender notiert haben und mitunter seit Jahren oder gar Jahrzehnten immer wieder gerne das reizvolle Städtchen am Niederrhein bereisen, um dort ihre Kräfte zu messen.
Es dürfte den beiden Veranstaltern nicht leicht gefallen sein, diese Entscheidung zu treffen. Sie haben diese Turniere mit großem Enthusiasmus und viel Freude auf die Beine gestellt, sicherlich mit von vielen nicht wahrgenommenen enormen Aufwand betrieben, für alle jedenfalls spürbar auch mit viel Herzblut versehen. „Goch“ hatte Atmosphäre, ein stimmiges Konzept und bot nahezu ideale Rahmenbedingungen für die Teilnehmer.
Ich selbst wurde 1995 „infiziert“, musste nur einmal eine Zwangspause einlegen und bin als Stammgast und Rekordteilnehmer (21 Turniere) nun sehr traurig, dass diese lieb gewonnene „Institution“ jetzt wegfällt.
Gleich vom ersten Moment an, noch lange bevor der erste Zug ausgeführt wurde, ergriff mich eine fast ehrfurchtsvolle, andächtige Vorfreude. Schon beim Anblick des Austragungsortes, dem Kultur- und Kongresszentrum KASTELL spürte ich, hier richtig zu sein. Das Kastell ist direkt am vom Flüsschen Niers durchzogenen Park gelegen. Die Landschaft ist reizvoll, die kleine, aber feine Innenstadt ebenso. Ich erinnere mich noch gut an den Augenblick, als ich dann erstmals den Saal betrat. Ich war unmittelbar sehr angetan von der Größe und der hellen, sonnendurchfluteten, anmutigen und sehr interessanten Architektur. An langen Tischreihen waren die Bretter und Uhren bereits akkurat aufgebaut – offenbar schon Stunden vor der Freigabe derselben. Notationsformulare und ein Kugelschreiber für jeden Spieler lagen an den ebenfalls schon nummerierten Tischen parat. Der Platz darauf und dazwischen ist großzügig bemessen, man fand bequeme Stühle vor, der Parkettboden ist gepflegt und sauber, Raumklima und Lichtverhältnisse sind optimal, kurz: man hatte ideale Spielbedingungen (einen ungefähren Eindruck vermitteln die auf der Homepage gezeigten Photos).
Das alles konnte nur mittels perfekter Organisation eines hervorragend eingespielten Teams gelingen. Auch während der laufenden Turniere kam nie Chaos oder Unruhe auf. Wolfgang und Winfried sorgten mit wohltuender Gelassenheit und Souveränität für einen geordneten Ablauf. Sie strahlten Ruhe aus, waren dabei aber alles andere als stocksteif, sondern stets augenzwinkernd, selbst in den seltenen kniffligen und strittigen Situationen, die sie als Schiedsrichter zu beurteilen hatten.
Auch „drumherum“ blieb kein Wunsch offen. Am „Tresen“ bekam man Getränke zu anständigen Preisen. Die stets freundlichen Mitarbeiter servierten leckeren Kaffee (nebst bereitgestellten Keksen, zum Bier gab es Knabberzeug). Ein großes Lob und ein herzliches Dankeschön an das gesamte Team und die Familie van Ooyen, die das neben dem Spielort gelegene „Hotel am Kastell“ betreibt (wo man selbstverständlich so oft wie möglich auch Unterkunft fand).
Im Laufe der Jahre konnte ich zahlreiche weitere Anhänger animieren, mich zu begleiten. Spieler aus dem eigenen Verein, aber auch Freunde aus anderen Schachclubs schlossen sich an. Viele von ihnen wurden ebenfalls zu Stammgästen, man begründete weitere neue Freundschaften und verbrachte mit ihnen innerhalb der knapp vier Tage viel Zeit mit nachträglichen (nächtlichen) Analysen, ausgedehnten Spaziergängen, erkundete die Stadt und ihre Gastronomie, suchte Kneipen und Cafés auf, wo man bald auch schon nach dem Jahr seit dem letzten Besuch wiedererkannt und freundlich begrüßt wurde.
Für alles andere, vornehmlich den Ausgang der Partie bzw. des Turniers, ist schließlich jeder selbst verantwortlich. Die äußerst guten Spielbedingungen können jedenfalls nicht als Entschuldigung für schlechte eigene Leistungen herhalten. Meine Ergebnisse waren (wie immer) schwankend. Ich habe manch bittere Niederlage einstecken müssen, konnte andererseits aber auch ein paar schöne Erfolge erzielen. Der größte Coup gelang mir dabei 2016, als sich in der ersten Runde an Tisch 1 der „ELO-Riese“ Bilel Bellahcene (2467! – Seine DWZ lag bei 2515!!) nur mittels eines spektakulären Turmopfers und anschließendem Dauerschach noch zum Remis retten konnte.
Zwei Mal war es mir vergönnt, bei der Siegerehrung die Bühne betreten zu dürfen – freilich nicht als Gesamtsieger, aber immerhin als Gewinner einer Ratinggruppe – um einen Umschlag mit dem Preisgeld entgegen zu nehmen. Die Turniersieger indes dürfen sich, einem kleinen Scherz von Wolfgang zufolge, als „GM“ bezeichnen – Gocher Meister!
Dies und viele andere schöne Dinge werden mir schmerzlich fehlen. Ich vermisse die angenehme Atmosphäre, die netten Leute, das fröhliche Beisammensein im engeren Freundeskreis (besonders am Abend nach der letzten Runde beim Abschlussessen), die Glückwünsche nach einer gelungenen sowie die tröstenden Aufmunterungen nach einer verlorenen Partie. Ich vermisse Wolfgang und Winfried, die aufopferungsvoll, mit ruhiger Leidenschaft und meist gut gelaunt die Turniere vorbereitet, geleitet und begleitet haben. Ich danke euch sehr für die Ausrichtung dieser Open. Durch den Wegfall entsteht ein weißer Fleck im Kalender und in der Turnierlandschaft. Dieser kann nicht so einfach gefüllt oder ersetzt werden. Ihr habt Großartiges geleistet, ich wünsche euch weiterhin viel Fröhlichkeit, Glück, gute Gesundheit (!) und von ganzem Herzen alles Gute!
Rolf Weber, 25.01.2018